101 der M&A Transaktionen mit Taiwan: Chancen & Herausforderungen
Verfasst von Dr. Michal Dallos
am 30. Januar 2023

Taiwan ist ein wohlhabendes und demokratisches Land, mit einer dynamischen, von KMUs geprägten Wirtschaft. Die taiwanesische Regierung hat in den letzten Jahrzehnten viel unternommen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken. Dies hat zu einem steigenden Interesse an M&A-Transaktionen sowohl innerhalb als auch außerhalb Taiwans geführt. Während M&A-Transaktionen mit Taiwan für Investoren und Unternehmen viele Chancen bieten, bergen diese Transaktionen auch eine Reihe von Herausforderungen, die es zu berücksichtigen gilt, insbesondere im Hinblick auf kulturelle Unterschiede, Regularien und geopolitische Spannungen mit dem chinesischen Festland.

Welche Erwartungen können wir aus M&A und Finanzierungssicht an Taiwan, seine Investoren und die dortigen KMUs haben?

Wirtschaftliche Entwicklung von Taiwan

Taiwan verfügt über eine hochentwickelte Marktwirtschaft, so führt zum Beispiel der Internationale Währungsfonds Taiwan in der Gruppe der 37 fortgeschrittenen Volkswirtschaften (Advanced Economies). Die Weltbank betrachtet Taiwan als eine Volkswirtschaft mit hohem Einkommen (high-income economies) mit einem GDP per Capita von 65,48 TEUR in 2022.  

Taiwan hat in den letzten 50 bis 70 Jahren ein enormes Wachstum hingelegt und wurde zusammen mit Hongkong, Singapur und Südkorea als einer der vier asiatischen Tigerstaaten bezeichnet. Das immense Wachstum der letzten Jahrzehnte hatte natürlich auch einen großen Einfluss auf das Vermögen im Lande. So erreichte laut dem Allianz Global Report 2022 das Gross Financial Assets per Capita den Wert von 164.610 EUR (2021) und somit weltweit die 9. Stelle. Im Vergleich: 1952 betrug das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt (BSP) noch ~170 US$.


101: Transaktionen in Taiwan

101 steht nicht nur für ‚Basiswissen über ein Thema‘. In Taipei jedoch seht es eindeutig für das Taipei Financial Center, mit seinen 101 oberirdischen Stockwerken. Das Umgangssprachlich als Taipei 101 (台北101) bezeichnete Gebäude war bis 2009 mit seinen 508m das höchste Gebäude der Welt.

Auch deutsche Unternehmen haben am Bau mitgewirkt. Die weltweit operierende Fassandenfirma Josef Gartner GmbH (seit 2001 ein Teil der Permasteelisa Group) hat den Bau der 16.000 Platten-Vorhang-Elemente auf 120.000m² übernommen.


Struktur der Wirtschaft in Taiwan

Die Wirtschaft in Taiwan ist geprägt von KMUs in Familienbesitz, es existieren nach wie vor nur wenige größere Konzerne. Dies gilt ebenso für die wenig konsolidierte Bankenlandschaft, in der eine größere Anzahl an kleineren Privatbanken miteinander im Wettbewerb stehen. Die tragenden Industriesegmente sind:

Halbleiter und IT-Industrie

Zu den bekanntesten und weltweit größten Chipgerstellern gehören TSMC und UMC. MediaTek ist der viertgrößter Fabless-Halbleiter-Anbieter (d.h. ohne eigene Produktion). Mit der ASE Group beheimatet Taiwan den weltgrößten Anbieter für Outsourcing der Halbleitermontage und Prüfung. Dank des Weltmarktanteils von 20% (bei Halbleiter-Foundry sind es sogar 50%), wird diese Industrie im geopolitischen Kontext auch als „Silicon Shield“ bezeichnet. Nach dieser These soll die Halbleiterindustrie des Landes so wichtig für die chinesische Industrie und die US-amerikanische Konsumwirtschaft sein, dass militärische Maßnahmen gegen die Produktionsstätten ein zu großes Risiko darstellen würden. Die geopolitische Dynamik und Bedeutung diese Branche illustrieren auch die umfangreichen chinesischen Spionageaktivitäten, wie z.B. die Operation Skeleton Key.

Energiesektor

Durch das Fehlen vom natürlichen Ressourcen, muss Taiwan 98% des Energiebedarfs importieren. Der aktuelle Energiemix Taiwans wird durch fast 50 % Erdöl dominiert, gefolgt von ~30% Kohle und ~13% Erdgas. Große Bedeutung wird derzeit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gewidmet, dies kann man am Beispiel der Offshore Parks in der Taiwanstraße mit einer Kapazität von mehr als 2,2 GWh jährlicher erkennen (Stand Ende 2022). Investitionen im den Bereichen Energie, Renewables und in deren Counterparts im Startup-Bereich sind sehr begehrt, nicht nur aus Gründen der Energiesicherheit in Friedenszeiten, sondern aus geopolitischen Risikoüberlegungen.

Agrarsektor

Der Agrarsektor ist im Kontext der Selbstversorgung ebenfalls von zentraler Bedeutung für Taiwan. Zu den Hauptprodukten gehören Reis, Zuckerrohr, div. tropische Früchte und nicht zuletzt die umstrittene Betelnuss. Darüber hinaus werden Vieh und Geflügel gezüchtet und Fischerei betrieben. Der gesamte Agrarsektor ist stark mechanisiert und das tropische Klima ermöglicht mehrere Ernten pro Jahr.

Weitere wichtige Industriezweige

sind die Stahl- und Schwermaschinenindustrie: 2017 war Taiwan der dreizehntgrößte Stahlexporteur der Welt; die Schifffahrtsindustrie: viertgrößte Yachtbaunation nach Italien, den Niederlanden und der Türkei und die Konsumgüterindustrie. Als Beispiel für das Letztere könnte man anführen, dass Taiwan ein wichtiger Hersteller von Sportgeräten ist und zum Beispiel 80 % der weltweiten Golfausrüstungsproduktion abdeckt.

M&A Transaktionen mit Taiwan

Regulatorische Anforderungen an M&A Transaktionen

Die wichtigsten Gesetze für M&A Transaktionen in Taiwan sind:

  • Business Mergers and Acquisitions Act „M&A Act“
  • Securities and Exchange Axct „SEA“, und
  • Fair Trade Act „FTA“

Volumen der M&A Transaktionen und die wichtigsten Sektoren

Nach Darstellung der zuständigen Administration wurden im Zeitraum Januar bis November 2022 insgesamt 2.307 ausländische Direktinvestitionsprojekte mit einem Gesamtvolumen 12,4 Milliarde US$ durchgeführt [link]. Die Auslandsinvestitionen ausgehend aus Taiwan betrugen 9.3 Milliarden US$ im Rahmen von 492 Transaktionen. Beide Werte sind jeweils ohne Investitionen ins Festland-China.

Die dominierenden M&A Transaktionen kommen typischerweise aus folgenden Sektoren: Energiesektor, IT- und Technologiesektor und Medien- und Telekommunikationssektor.

Charakteristik der potenziellen M&A Targets

Die Großteil der Unternehmen in Taiwan sind KMUs, und zwar familiengeführte KMUs. Sowohl innertaiwanesische als auch grenzüberschreitende Transaktionen im Small- und Mid-Cap-Bereich sind in erster Linie auf persönliche Netzwerke zurückzuführen, die mit der Eigentümerfamilie verbunden sind. Im Falle von M&A Kaufmandaten aus dem Ausland besteht eine gewisse Zurückhaltung gegen einen Verkauf. Die im Westen übliche Exit-Strategie der Familienunternehmen in 2. oder 3. Generation, in der nach einem Unternehmensverkauf anschließenden der Verkaufserlös in ein neu gegründetes vermögensverwaltenden Family Office investiert wird, ist in Taiwan (noch) nicht üblich.

Tipp: Bei Transaktionen mit Familienunternehmen sollte man darauf achten, dass alle Entscheidungsträger aus den Familien die gleiche Sichtweise auf die Transaktion teilen. Des Weiteren ist es wichtig die kulturellen Besonderheiten der Entscheidungsfindung in taiwanesischer Unternehmerfamilien berücksichtigen. Hier bestätigt sich das Klischee: Die überaus große Höflichkeit und Freundlichkeit sollte man nicht unbedingt mit Verbindlichkeit gleichsetzen.


Neben dem traditionellen Mittelstand im Familienbesitz floriert in Taiwan auch die Startupszene. Als eines der zahlreichen Beispiele kann man die Taipei Tech Arena anführen (TTA, 臺北小巨蛋 – wortwörtlich: Taipeis kleines großes Ei), die sich im Zentrum von Taipei befindet.

Die TTA bringt in einem Tech-Ökosystem F&E-Talente aus der Forschung mit Startups, Acceleratoren, Corporates und Investoren unter ein Dach. Auf knapp 2.800 m² Coworking-Space und Veranstaltungsfläche befinden sich Startups unter Anderem aus folgeden Branchen: IT/Software, Health Care / Hospital Care, GreenTech, FinTech & Blockchain, IoT und Advanced Manufacturing.

Taipei Arena 20200418 500

Finanzierung von Transaktionen

Die Bankenlandschaft in Taiwan ist – ähnlich wie die Unternehmenswelt stark fragmentiert. Dies sollte bei großvolumigen Akquisitions- oder Wachstumsfinanzierungen durch frühzeitige Einbindung geeignete ausländische Kapitalgeber berücksichtigt werden. Bei kleinvolumigen Transaktionen, die außerhalb der Börsen stattfinden ist eine Fremdfinanzierung üblich.  So dürfen Privatunternehmen in Taiwan Wandelanleihen und Optionsanleihen im Rahmen von Privatplatzierungen ausgeben.

Rahmenbedingungen für M&A Transaktionen und Kapitalfluss nach und aus Taiwan

Für alle Cross-Border-M&A Transaktionen ist das Investment Comitee des Ministry of Economic Affairs “IC-MOEA” maßgeblich zuständig. So muss jede Cross-Border M&A Transaktion vom IC-MOEA bewilligt werden. Bei den meisten Transkationen kann dies nur eine Formalität sein, jedoch werden Transaktionen in ausgewählten Sektoren, wie z.B. Finanzsektor oder Telekomunikation und alle Transaktionen mit direkter oder indirekter Beteiligung von Festland-China gesondert geprüft. 

Tipp: Bei allen M&A Transaktionen, an denen Investoren aus Taiwan beteiligt sind, sollte sichergestellt werden, dass diese für das jeweilige Projekt ihr Kapital ins Ausland transferieren dürfen. Gleiches gilt für Buy-Side-Mandate: im Vorfeld einer ausländischen Investition in Taiwan ist eine Investitionsvorprüfung durch die IC-MOEA notwendige.

Derzeit bereitet der Gesetzgeber eine Änderung der Vorschriften für Auslandsinvestitionen vor, durch die die Notwendigkeit einer Vorabgenehmigung durch die IC-MOEA für die meisten Auslandsinvestitionen entfallen sollte.

Fazit: Asian Market Insights für Taiwan

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Taiwan eine hochentwickelte Marktwirtschaft ist, die in den letzten Jahrzehnten ein enormes Wachstum verzeichnen konnte. Natürlich ist die Kapitalstärke Taiwans bei weitem nicht mit der des großen Nachbarn China vergleichbar – nur wenige Länder bestehen diesen Vergleich. Dennoch: Taiwan, das sich in den 1980 erfolgreich aus eigener Kraft zu einer Demokratie gewandelt hat und in den darauffolgenden Jahrzehnten zum großen wirtschaftlichen Wohlstand gelangte, ist ein stabiler und vielversprechender Geschäftspartner mit großem Potenzial.

Die KMU-Landschaft, sowie die Kapitalstärke der taiwanesischen Investoren bieten interessante Möglichkeiten für M&A Transaktionen im Small- und Mid-Cap Bereich. So sind taiwanesische Investoren traditionell offen für Investitionen im US-amerikanischem Ausland und neugierig auf Opportunitäten in Europa. Family Offices und HNWIs aus Taiwan sind allgemein auf der Suche nach Diversifizierungsmöglichkeiten im Ausland, insbesondere sind Targets im Bereich Energie, Renewables aber auch FoodTech mit Taiwanbezug sehr begehrt.

Ähnlich wie die Bevölkerung in der westlichen Welt, steht auch die taiwanesische Bevölkerung vor dem Problem der alternde Gesellschaft kombiniert mit sehr niedrigen Geburtenraten. Das daraus resultierende Problem der Unternehmensnachfolge in Familienbetrieben bietet zeitgleich eine Chance für Unternehmensübernahmen und somit eine interessante Oportunität zum Markteintritt in Taiwan. Für alle Transaktionen gilt jedoch: Regularien, kulturelle Unterschiede und geopolitische Spannungen mit dem Festland-China sollte man nicht außer Acht lassen.