CHF Anleihen als Finanzierungsinstrument
Verfasst von Dr. Horst Friedrich
am 10. Januar 2018

Gastbeitrag von Rolf Weilenmann und Bernhard Trösch, Neue Helvetische Bank AG, Zürich

Optimierungsmöglichkeiten im Finanzierungsmix für den deutschen Mittelstand

Jeder CFO ist bestrebt, die Fremdfinanzierung für die eigene Firma möglichst optimal auszugestalten, wozu in einer Anfangsphase grundsätzlich sämtliche Finanzierungsinstrumente in Erwägung zu ziehen sind. Klassischerweise wird dabei der Kredit mit einer Kapitalmarktfinanzierung mittels Anleihe oder Schuldschein verglichen. Sinnvollerweise werden bei der Evaluation der unterschiedlichen Finanzierungsalternativen  neben den Gesamtkosten auch die unternehmerische Flexibilität, welche stark von allenfalls gewährten Sicherheiten, Financial Covenants und der Abhängigkeit vom Geldgeber bestimmt wird, berücksichtigt.

Zur Kosteneffizienz lässt sich dabei keine generell gültige Aussage machen. Vorteile einer Kapitalmarktfinanzierung liegen aber sicherlich in der Schuldendiversifikation, der geringeren Bankenabhängigkeit, der üblicherweise nicht notwendigen Gewährung von Sicherheiten und den nicht einengenden Financial Covenants. Weiter bietet eine Finanzierung über den Kapitalmarkt indirekte Vorteile wie die Erhöhung der vorrangigen Schuldenkapazität bzw. die Verbesserung der Konditionen für besicherte Kredite.

Demgegenüber bietet ein Kredit insbesondere in Form eines Kontokorrentkredites mehr Flexibilität, um Schwankungen im operativen Geschäft auszugleichen. Entsprechend wird von vielen Firmen häufig eine Kombination aus Kapitalmarkt-Sockelfinanzierung sowie Kreditfinanzierung für den Spitzenausgleich gewählt.

Für den CFO eines Unternehmens, das nicht über ein explizites oder implizites Investmentgrade-Rating (d.h. BBB- oder höher) verfügt, sind die vorhandenen Alternativen am Kapitalmarkt jedoch oft eingeschränkt. So klettert das ausgegebene Volumen an Schuldscheindarlehen zwar jedes Jahr von Rekord zu Rekord, jedoch stellt eine aktuelle Studie von Capmarcon fest, dass sich das durchschnittliche Rating der Emittenten von BB+ in 2015 auf BBB- in 2017 verbessert hat. Auf der anderen Seite ist das Thema Mittelstandsanleihe aufgrund diverser Insolvenzen und Skandalen in Deutschland stark in Verruf geraten. So sind gemäss Capmarcon von 167 platzierten Anleihen (Nominalwert von EUR 7.1 Mrd.) insgesamt 59 Anleihen (EUR 2.7 Mrd.) „leistungsgestört“. Als Folge wird die Mittelstandsanleihe von Unternehmen häufig allein schon aufgrund von Reputationsüberlegungen gemieden.

Eine prüfenswerte Alternative stellt der Schweizer Kapitalmarkt dar, welcher eine einwandfreie Reputation genießt und auch für deutsche Firmen im Cross-over-Bereich, d.h. im Rating Bereich von BBB und BB, attraktive Finanzierungskonditionen bietet, und dies sogar unter der Berücksichtigung von Kosten der Währungsabsicherung.

Gegenüber Mittelstandsanleihen in Deutschland zeichnen sich kleinere Schweizer Franken Anleihen durch tiefe Risikoaufschläge im Sekundärmarkt aus. Für BBB Emittenten liegen diese aktuell bei rund 0.25 – 1.25% und für BB Emittenten bei rund 1.0 – 2.5%. Zudem liegen die übrigen durchschnittlichen Emissionskosten lediglich bei etwa 2%, wobei darin sämtliche anfallende Kosten inklusive Bankgebühr, allfälligem Rating, Rechtsberatung inklusive Legal Opinion, Comfort Letter, Zahlstellenkommission, IR/Marketing, Prospektdruck und die Gebühren der Schweizer Börse enthalten sind. Damit bleiben die Gesamtkosten der kleineren Schweizer Franken Anleihen auch nach Währungsabsicherung attraktiv. Neben den niedrigen Gesamtkosten gibt es auch weitere Unterschiede zu den Mittelstandsanleihen.

So stellt in der Schweiz die Risikoübernahme durch die emissionsbegleitende Bank ein zentrales Transaktionselement dar. Dies incentiviert die Banken keine schlechten Deals einzugehen, was entsprechend dafür sorgt, dass die Reputation des Schweizer Anleihemarktes gewahrt wird. Ein schlechter Deal beinhaltet dabei u.a. in der Due Diligence nicht erfasste Risiken, eine ungenügende Kommunikation dieser Risiken oder ein nicht marktgerechtes Pricing. Bezüglich Risiken sind dabei das Reputationsrisiko sowie das wirtschaftliche und rechtliche Risiko zu unterscheiden. Das Reputationsrisiko besteht zwar in jeder Transaktion, ist jedoch oft nicht ausreichend, um Banken zu incentivieren. Zentraler ist die Übernahme der anderen beiden Risikofaktoren.

Wirtschaftliche Risikoübernahme

Bei der Übernahme von wirtschaftlichem Risiko durch die Bank garantiert die Bank dem Emittenten, die Anleihe auf die eigenen Bücher zu nehmen, falls die Anleihe nicht platziert werden kann. Das heisst die Bank macht eine Festübernahme des gesamten Emissionsbetrages, bevor die Transaktion veröffentlicht und lanciert wird.

Die Investoren wissen somit, dass die Bank eine professionelle Due Diligence gemacht hat und die Anleihe auch risiko- und marktgerecht gepriced wurde, da diese unter Umständen im Eigenbestand der Bank landet. Interessant für den Emittenten ist, dass durch die Festübernahme zusätzliche Nachfrage geschaffen werden kann, wodurch die Zinskonditionen reduziert sowie allenfalls das Anleihevolumen erhöht werden kann. Da der Emissionserlös garantiert wird, kann die Anleihe mit Festübernahme zudem gegebenenfalls auch als Akquisitionsfinanzierung verwendet werden.

Alternativer Ansatz in der Schweiz

Etwas später als in Deutschland ist auch in der Schweiz ein Segment für kleinere Anleihen (sprich Anleihen mit einem Volumen zwischen CHF 20 Mio. und CHF 100 Mio.) entstanden. Die kleineren Anleihen werden jedoch nicht an einem speziellen Börsensegment gehandelt, sondern werden genau gleich reguliert wie Transaktionen von mehreren Hundert Millionen Schweizer Franken. Das Emissionsvolumen und die Anzahl an kleineren Anleihen haben über die letzten Jahre stetig zugenommen und Ausfälle gab es bis anhin keine (auch im gesamten Schweizer Franken Anleihemarkt gehören Ausfälle zur Seltenheit). Entsprechend genießt dieses Finanzierungsinstrument sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Investoren eine einwandfreie Reputation.

Rechtliche Risikoübernahme

Auch die Übernahme eines rechtlichen Risikos durch die Bank fördert die Qualität der Emissionen. Im Gegensatz zu Deutschland greift in der Schweiz auch bei kleineren Anleihen eine harte Prospekthaftung, sprich eine Prospekthaftung der Emissionsbank gegenüber Investoren und nicht wie bei einer weichen Prospekthaftung nur gegenüber der Börse. In Deutschland ist die harte Prospekthaftung nur bei Benchmark Bonds anzutreffen.

Die Risikoübernahme der emissionsbegleitenden Bank erfordert entsprechend eine kritische Hinterfragung der Bondstory und eine streng ökonomische Analyse. Für kleinere Schweizer Franken Anleihen kommen deshalb nicht alle Kandidaten in Frage, welche sich in Deutschland mittels einer Mittelstandsanleihe finanzieren.

Anforderungen an den Emittenten

Damit eine Gesellschaft eine öffentlich aufgelegte Schweizer Franken Anleihe emittieren kann, muss diese einerseits die regulatorischen Voraussetzungen der SIX Swiss Exchange und andererseits die wesentlichen Anforderungen der Investoren erfüllen:

Anforderungen durch SIX Swiss Exchange

  • Mindesteigenmittel von CHF 25 Mio.
  • Mindestemissionsvolumen von CHF 20 Mio.
  • Mindestens dreijähriges Bestehen des Emittenten sowie Vorhandensein von geprüften Jahresabschlüssen für mindestens zwei Jahre nach einem von der SIX Swiss Exchange anerkannten Rechnungslegungsstandard (z.B. HGB)

Anforderungen der Investoren

Nachfolgende Anforderungskriterien sind von Emittenten grundsätzlich zu erfüllen, jedoch ist jeweils das Gesamtbild eines Emittenten relevant. Entsprechend sind je nach Fall auch spezifische Ausnahmen von einzelnen Kriterien möglich.

  • Der Emittent sollte ein etabliertes Geschäftsmodell aufweisen, mit welchem er in der Vergangenheit (und mit grösserer Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft) nachhaltige Cash Flows generieren konnte. Grundsätzlich ist dies in allen Sektoren möglich, jedoch fallen klassischerweise Subsektoren wie die Biotechnologie oder die Immobilienentwicklung (oder allgemein Unternehmen, welche vornehmlich in Entwicklungsprojekten engagiert sind) weg, da hier meist noch keine stabilen Cash Flows erwirtschaftet werden.
  • Basierend auf einem etablierten Geschäftsmodell sind angemessene Finanzzahlen zu erwirtschaften, wobei diese je nach Branche differenziert zu betrachten sind. Als grobe Richtgrössen für Industriefirmen können jedoch folgende Werte herangezogen werden:
    • Umsatz > CHF 100 Mio.
    • EBITDA > CHF 10 Mio.
    • Eigenkapital > CHF 25 Mio. (siehe SIX Swiss Exchange Anforderungen); Eigenkapitalquote > 20%
    • Net Financial Debt / EBITDA maximal (z.B. unmittelbar nach einer durch die Anleihe finanzierten Akquisition) 4.0x, mittelfristig jedoch sinkend
  • Neben der von der SIX Swiss Exchange vorgegebenen Publikationspflicht des geprüften Jahresabschlusses, wird von Investoren zudem eine Publikation von Halbjahresergebnissen gefordert, wobei diese nicht geprüft sein müssen und eine Publikation von Schlüsselfinanzzahlen ausreichend ist.
  • Der Emittent sollte ein explizites Rating einer anspruchsvollen Ratingagentur oder ein implizites Rating im BB Bereich aufweisen. Ob ein explizites Rating zu erstellen ist, wird jeweils von Fall zu Fall durch die emissionsbegleitende Bank zusammen mit dem Emittenten beurteilt.
  • Des Weiteren sind gewisse Soft Factors zu erfüllen. So ist z. B. für die Investoren nicht nur die Fähigkeit des Emittenten den Schuldendienst zu leisten (Kreditfähigkeit) bedeutend, sondern auch der Wille, dies zu tun (Kreditwürdigkeit). Dies bedeutet, dass Investoren auch dem Management, Aufsichtsrat und je nach Konstellation auch den Aktionären bzw. Gesellschaftern entsprechendes Vertrauen entgegenbringen müssen. Zudem sollte der Verwendungszweck des Emissionserlöses für den Investor grundsätzlich nachvollziehbar sein.

Fazit

Als langfristige, völlig bankenunabhängige, unbesicherte Finanzierung mit Platzierungsgarantie und einwandfreier Reputation, die auch für Subinvestmentgrade-Emittenten keine einengenden Financial Covenants enthält, sollte die Schweizer Franken Anleihe zumindest in einer Frühphase der Evaluation möglicher Finanzierungsalternativen in Erwägung gezogen werden.

Literaturhinweise

  • Capmarcon – „Mittelstandsanleihe“. Das zähe Geschäft mit dem Risiko, Oktober 2017
  • Capmarcon – Schuldschein erneut auf Rekordkurs, Oktober 2017

Hinweis

Wir danken sehr herzlich der Neuen Helvetischen Bank AG, Zürich, für diesen Gastbeitrag. Beim Thema schweizerische Anleihen kooperiert ADVISOS Corporate Finance mit der Neuen Helvetischen Bank AG, Zürich. Diese ist klarer Marktführer in diesem Anleihesegment. Wenn das Thema für Sie von Interesse ist, sprechen Sie uns bitte an!