Case Study: Cash-Flow basierte Wachstumsfinanzierung
Verfasst von Dr. Michal Dallos
am 5. Mai 2021
Wachstumsfinanzierung

Diese Case Study entstand als Co-Artikel in Zusammenarbeit mit der Creditshelf AG, die in ihrem Artikelteil das Zusammenspiel von Corporate Finance Beratern, Kunden und Kreditplattformen beleuchtet:
Wie Berater ihre KMU-Kunden auch in schwierigen Zeiten bei der Liquiditätsversorgung unterstützen können.

Als Wachstumsfinanzierung bezeichnet man Fremdkapital, Mezzanine oder Eigenkapital, dass zur Expansion der Geschäftstätigkeit eingesetzt wird. Dabei kommen zahlreiche Wachstumsszenarien in Frage: Ausweitung der Produktpalette, Errichtung neuer Produktionsstandorte, Eintritt in neue Märkte, Umsetzung neuer Geschäftsmodelle oder Durchführung von Unternehmensakquisitionen.

Bei allen Wachstumsanlässen ist drauf zu achten, dass die Finanzierungsstruktur in ihrer Beschaffenheit und Flexibilität zum Unternehmen und zum geplanten Vorhaben passt. Eine Besonderheit der Wachstumsfinanzierung ist, dass der neu generierte Cashflow als Basis für die  Rückzahlung der Finanzierung dienen kann und somit sich optimalerweise das Wachstumsvorhaben selber trägt. Im weiteren Verlauf möchten wir Ihnen anhand einer praxisnahen Modellrechnung die Struktur, die Kosten und die ökonomische Sinnhaftigkeit einer Wachstumsfinanzierung demonstrieren.

Ausgangssituation: Unternehmen auf Wachstumskurs

In unserer Case Study gehen wir von einem „Assets Light“ Musterunternehmen aus, das durch eine Investition von 1,5 Mio.€ ein nachhaltiges Wachstum generieren möchte. Dabei wird 1 Mio.€ als Investition in Digitalisierungsprojekte geplant, um neue, besser skalierbare Produkte zu entwickeln und die dazugehörigen Prozesse im Unternehmen durch Digitalisierung zu optimieren. Die restlichen 0,5 Mio.€ werden als Anfangsfinanzierung für die Erhöhung des Marketingbudgets geplant.

Der aktuelle Umsatz des Unternehmens liegt bei 17 Mio.€, EBITDA bei 1,63 Mio.€ und der Verschuldungsgrad bei 3,7 x NetDebt. Im Sinne des „Assets Light“-Profils verfügt unser Musterunternehmen über keine nennenswerten, dinglichen Sicherheiten für die angestrebte Finanzierung.

Musterunternehmen: Gewinn- & Verlustrechnung

Umsatz 17.000,0
Herstellungskosten inkl. AfA 11.0505,0
Bruttoergebnis 5.950,0
Vertriebskosten 1.700,0
Allgemeine Verwaltungskosten 2.720,0
sonstige betr. Aufwendungen 500,0
Betriebsergebnis (EBIT) 1.030,0
+ Abschreibungen 600,0
EBITDA 1.630,0
– Abschreibungen 600,0
– Zinsen „Darlehen alt“ 200,0*
Gewinn vor Steuern 830,0
WP Data Tables
alle Angaben in TEUR.
* entspricht einer Verschuldung von ca. 6,15 Mio.€ bei 3,5% Mischzins.

Beim Kassenbestand von 150 TEUR liegt der Verschuldungsgrad bei 3,7 x NetDebt, d.h. (6,15 – 0,15)/1,63 Mio.

Strukturierung des Darlehens

Um das geplanten Wachstum realisieren zu können, nimmt unser Musterunternehmen im nächsten Schritt ein Darlehen auf. Die bereits im Unternehmen vorhandene Verschuldung in der Höhe vom 3,7x NetDebt, wie auch die Tatsache, dass keine weiteren, nennenswerten dinglichen Sicherheiten zur Darlehensabsicherung zur Verfügung stehen, erlaubt typischerweise keine Bankenfinanzierung. In diesem Fall kommen eher Kapitalgeber mit einer höheren Risikobereitschaft in Frage, die ihre Risikoanalyse in erster Linie auf den zukünftigen Cash-Flow ausrichten. Allgemein kommen je nach Finanzierungsvolumen dafür folgende Anbieter in Frage: Fintechs, Debt-Fonds oder Mezzanine-Fonds. In unserem Fall eines Kapitalbedarfes von 1,5 Mio.€ gehen wir von einer Finanzierung durch ein Fintech aus.

Darlehenshöhe:     1.500.000 Eur
Laufzeit:                36 Monate
Zinssatz:                7,5% p.a., entspricht 0,625% pro Monat
Disagio:                 3,5% der Darlehenssumme
Rückzahlung:         Annuitätendarlehen
Sicherheiten:         keine dingliche Sicherheit, nur Garantien

Die oben genannten Konditionen entsprechen den in dieser Situation typischen Konditionen des Fintechs Creditshelf AG (stand 05/21).

Unter den angegebenen Darlehenskonditionen beträgt die gesamte Darlehensrückzahlung EUR 46.659 pro Monat, bestehend aus Darlehenstilgung und Zinsen.

Rückzahlung Darlehen (kumuliert pro Jahr)

Jahr 1 2 3
Disagio 52,5
Zinsen 96,8 60,8 22,1
Tilgung 463,1 499,1 537,8
WP Data Tables
alle Angaben in TEUR.

T

Annuität

Annuität

Umsetzung der Wachstumsstrategie

Im weiteren Schritt beleuchten wir an Hand der GuV die Auswirkung der Wachstumsstrategie auf die wirtschaftliche Performance des Unternehmens. Den Schwerpunkt legen wir dabei auf den Zusammenhang zwischen dem finanzierungsbedingten Wachstum und den Kosten der Finanzierung. In der nachfolgenden Tabelle ist die GuV-Entwicklung dargestellt, angefangen beim Jahr 0, d.h. mit dem Jahr vor der Finanzierung und endet im Jahr 4, d.h. nach der vollständigen Tilgung des Darlehens.

GuV: Musterunternehmen nach der Finanzierung

Jahr 0 1 2 3 4
Umsatz 17.000,0 17.000,0 18.000,0 19.000,0 20.000,0
Herstellungskosten inkl. AfA 11.050,0 11.250,0 11.900,0 12.550,0 13.200,0
davon AfA Alt 600,0 600,0 600,0 600,0 600,0
davon AfA Neu: 1Mio. auf 5 Jahre 0,0 200,0 200,0 200,0 200,0
Bruttoergebnis 5.950,0 5.750,0 6.100,0 6.450,0 6.800,0
Vertriebskosten 1.700,0 1.700,0 2.050,0 2.163,9 2.277,8
% Vertriebskosten 10% 10% 11,4% 11,4% 11,4%
davon Marketing Neu 0,0 0,0 250,0 263,9 277,8
Allgemeine Verwaltungskosten 2.720,0 2.720,0 2.448,0 2.584,0 2.720,0
% Allgemeine Verwaltungskosten 16% 16% 13,6% 13,6% 13,6%
sonstige betr. Aufwendungen 500,0 500,0 500,0 500,0 500,0
Betriebsergebnis (EBIT) 1.030,0 830,0 1.102,0 1.202,1 1.302,2
+ Abschreibungen 600,0 800,0 800,0 800,0 800,0
EBITDA 1.630,0 1.630,0 1.902,0 2.002,1 2.102,2
Differenz zum Jahr 0 0,0 272,0 372,1 472,2
– Abschreibungen 600,0 800,0 800,0 800,0 800,0
– Zinsen „Darlehen alt“ 200,0 200,0 200,0 200,0 200,0
– Zinsen „Darlehen neu“ 0,0 149,3 60,8 22,1 0,0
Gewinn vor Steuern 830,0 480,7 841,1 980,0 1.102,2
WP Data Tables
alle Angaben in TEUR.

GuV: Auswirkungen der Wachstumsstrategie auf Umsatz und Kosten

Umsatzentwicklung

Vor der Wachstumsfinanzierung, d.h. im Jahr 0 betrug der Umsatz 17 Mio.€. Im Jahr 1 erhielt das Unternehmen das gewünschte Darlehen in der Höhe von 1,5 Mio.€ und begann mit der Investition von 1 Mio.€ in Digitalisierungsprojekte. Dies führte erst ab dem Jahr 2 durch Einführung neuer Produkte und Erhöhung der Marketingausgabe zur Steigerung des Umsatzes. In den Folgejahren stieg der Umsatz weiter um jeweils 1 Mio.€ pro Jahr, bis zur Erreichung eines neuen Umsatzniveaus von 20 Mio.€ in Jahr 4.

Abschreibungen

Bereits im Jahr 1 erhöhen sich die Abschreibungen um 200 TEUR, was der Abschreibung von 1 Mio.€ Investitionen auf 5 Jahre entspricht.

Marketing

1/3 der Wachstumsfinanzierung. d.h. 500 TEUR sind für Marketing eingeplant. Diese Ausgaben werden erst ab dem Jahr 2 getätigt, d.h. erst nach dem im Jahr 1 durch Investitionen die Voraussetzungen für neue Produkte geschaffen wurden. Ziel ist die Marketingausgaben nachhaltig von 10% auf 11,4% des Umsatzvolumens zu erhöhen. Diese Erhöhung wurde im Jahr 2 vollständig mit 250 TEUR aus dem Darlehen finanziert, im Jahr 3 zu 95% mit weiteren 250 TEUR. Ab dem Jahr 3 wird das Marketing auf dem neuen Niveau vollständig aus dem operativen Cash Flow getragen.

Effizienzsteigerung

Die geplanten Investitionen sollen nicht nur zur Entwicklung neuer, digitaler Produkte verwendet werden, sondern auch zur Verbesserung der eigenen Prozesseffizienz durch Digitalisierung führen. Dadurch soll eine Effizienzsteigerung von 15% gemessen an den Kosten erreicht werden, d.h. die Administrationskosten sinken von 16% auf 13,6% des Umsatzvolumens.

Kosten der Finanzierung

Die ergebniswirksamen Kosten der Finanzierung, bestehend aus dem einmaligen Disagio und dem jährlichen Zins fallen jeweils in den Jahren 1,2 und 3 an. Ab dem Jahr 4, d.h. nach der vollständigen Tilgung des Darlehens, fallen natürlich keine weiteren Kosten aus dieser Finanzierung mehr an.

GuV: Auswirkungen der Wachstumsstrategie auf den Profit

Unser Musterunternehmen hatte vor der Umsetzung der Wachstumsstrategie, d.h. im Jahr 0 ein EBITDA von 1,63 Mio.€. Dieser Wert hat sich erwartungsgemäß im Jahr 1 nicht verändert, da ausschließlich Investitionen getätigt wurden. Dafür verringerte sich der Gewinn vor Steuern um die neuen Abschreibungen und die zusätzliche Darlehenskosten von 830 TEUR im Jahr 0 auf 481 TEUR. Erst ab dem Jahr 2 greifen die Wachstumsmaßnahmen und führen durch die Kombination der oben beschriebenen Effekte (+ Umsatz, – Verwaltungskosten) zu einer jährlichen Ertragssteigerung.

War diese Finanzierungsstrategie erfolgreich?

In unserer Case Study haben wir eine Wachstumsfinanzierung mit 6,5% Zins und ein Disagio von 3,5% angenommen. Diese Konditionen sind (im Jahr 2021) realitätsnah, da wir von einem Unternehmen mit bereits vorhandener Verschuldungsgrad von 3,7 x NetDebt und ohne dingliche Sicherheiten ausgehen. Somit ist diese Wachstumsfinanzierung natürlich teuer als ein „übliches“ Bankdarlehen.

Um den Erfolg oder Misserfolg dieser Finanzierungsstrategie beurteilen zu können, müssen wir folgende Frage beantworten: Rechtfertigt der Mehrertrag aus der Wachstumsstrategie die Zusatzkosten des Darlehens? Zur Erinnerung: die gesamten Darlehenskosten bestehen aus Zinsen und Disagio belaufen sich auf insgesamt 232,2 TEUR, was nicht wenig ist..

Erfolgsbilanz – Perspektive 1: Zusatzertrag in den Jahren 1-3

Wie wir bereits festgestellt haben, blieb das EBITDA im ersten Jahr der Finanzierung, d.h. im Jahr 1 unverändert auf den Niveau des Vorjahres. In der GuV Tabelle findet man die relative EBITDA Differenz zum Jahr 0 für alle Folgejahre. Für die Darlehenslaufzeit beträgt die Summe des Mehrertrages ggü. dem Jahr 0 den Wert von kumuliert 644,1 TEUR . Damit steht bereits in den Jahren 1 bis 3 den Kosten der Wachstumsfinanzierung von 232,2 TEUR ein Mehrertrag von 644,1TEUR gegenüber. Fazit: bereits die kurzfristige Erfolgsbilanz fällt positiv aus.

Erfolgsbilanz – Perspektive 2: Unternehmenswertsteigerung

Eine alternative Perspektive auf den Erfolg der Wachstumsfinanzierung bietet die Steigerung des Unternehmenswertes. Diese Langzeitperspektive entspricht auch der Zielsetzung durch die Wachstumsfinanzierung das Unternehmen nachhaltig auf ein höheres Ertragsniveau zu heben. In unserer Case Study gehen wir folglich davon aus, dass der Unternehmensumsatz vom ursprünglich 17 Mio.€ im Jahr nachhaltig auf 20 Mio. € steigt. Dem entspricht ein Anstieg des EBITDA von 1,63 Mio.€ auf 2,1 Mio.€.

Mit Hilfe der Multiple-Bewertungsmethode können wir leicht die Änderung des Unternehmenswertes näherungsweise bestimmen. Unter der Annahme eines EBITDA Multiples von: MEBITDA = 6,5 erhalten wir für die jeweiligen Unternehmenswerte vor und nach der Finanzierung folgende Werte:

`text{Unternehmenswert}_{text{Jahr=0}}= 6,5 * 1,63 text{Mio.€} = 10,6 text{Mio.€}`

`text{Unternehmenswert}_{text{Jahr=4}}= 6,5 * 2,1 text{Mio.€} = 13,7 text{Mio.€}`

Daraus ergibt sich eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes von 3,1 Mio.€. An diese Stelle können wir schlussfolgern, dass die vorgestellte Wachstumsstrategie auch aus der langfristigen Perspektive des Unternehmenswertes erfolgreich war.